Seekrank auf dem Sandberg
Ob für Einheimische oder Urlauber: Noch mehr als während des übrigen Jahres bilden Innenförde und Hafen in den Sommerferien das Herz Flensburgs. Grund genug, um ein paar Hauptdarsteller und Geheimtipps auf dem Wasser in einer Serie unter die Lupe zu nehmen. Heute geht es allerdings nur um virtuelles Wasser: Besuch im Schiffsführungssimulator der Hochschule Flensburg.
Pawel Ziegler ist der einzige Dozent an der Hochschule Flensburg, der ungestraft Feuer legen darf, und das auf einem Schiff! Sogar auf Schiffen, auf dem sehr junge unerfahrene Männer am Ruder stehen und die Verantwortung tragen. Nicht ausgeschlossen, dass so ein Feuer schon mal zu kleinen Schweißausbrüchen führt. Zu mehr aber auch nicht. Die Feuerlöscher können an ihren Plätzen bleiben. Denn Pawel Ziegler, Leiter des Maritimen Zentrums an der Hochschule, legt nur hin und wieder ein virtuelles Feuer auf einem der Schiffe, die er und seine Kollegen in dem großen Schiffsführungssimulator ihren Studenten vorgaukeln können. Der Campus auf dem Flensburger Sandberg liegt 30 Meter über NN, die Küste sieht man von hier nicht. Doch wenn man auf einer der sechs Brücken steht und die Anlage hochgefahren wird, dann ist man plötzlich auf der Untertrave oder der Elbe unterwegs; man muss ein Containerschiff in die Schleuse bei Holtenau manövrieren oder einen Tanker durch die Straße von Malakka. Die Simulationen sind so gut, dass immer wieder einzelne Besucher tatsächlich seekrank werden, wenn schweres Wetter mit ordentlich Seegang simuliert wird. Und obwohl die Brücke fest steht und nicht bewegt werden kann, halten sie sich unwillkürlich irgendwo fest.
Insgesamt verfügt die Hochschule über sechs Simulationsbrücken in verschiedenen Größen. Bei der größten wird ein Panorama von 270 Grad simuliert; dafür stehen neun hochwertige Beamer unter der Brücke, die ein lücken- und kantenloses Rundum-Bild erzeugen. Wichtig sei, dass die Brücke in Relation zur gebogenen Leinwand tatsächlich hoch stehe, so dass die Probanden bei einem Anlegemanöver in der Schleuse nach unten schauen können. Die Anlage wird laufend erweitert und aktualisiert, wie Dozent Volker Wenzel erläutert. Mit ständig wachsender Rechnerleistung werde die Darstellung der jeweiligen Situation immer detailreicher und damit realistischer. Hier werden nicht nur die Studierenden in See-verkehr, Nautik und Logistik sowie Schiffstechnik/Schiffsbetriebstechnik ausgebildet. Hier machen auch die Lotsen des Nord-Ostsee-Kanals und die Kanal-Steuerer ihre Fortbildungen. Auf Wunsch der Lotsen habe man Eis nachgerüstet: Seit dem letzten Update im März könne man jetzt auch Eisgang und Vereisung auf dem Kanal simulieren. Die Rechner sind in Schränken untergebracht; etwa 25 von ihnen sind gleichzeitig im Einsatz. Eine Klimaanlage regelt die Temperatur und verhindert eine Überhitzung.
Nicht ganz so spektakulär, aber ebenfalls von großer Bedeutung ist die Maschinenraumsimulation, über die das Maritime Zentrum verfügt. Hier müssen die Studierenden zeigen, wie sie mit so unangenehmen Zwischenfällen wie einem Maschinenausfall umgehen. Auf dem Tisch liegt ein Satz Ohrschützer. Wenzel zeigt in die Ecke, wo ein stattlicher Lautsprecher steht. Der sorgt im Ausbildungsfall für eine echte Motorengeräuschkulisse.
Joachim Pohl
Flensburger Nachrichten